Es ist ja nur psychisch …
Um ein weiteres Missverständnis auszuräumen: Auf diesen Seiten geht es nicht um kleinere seelische „Durchhänger“, wie jeder sie im Laufe des Lebens immer wieder mal hat, sondern es geht um oft schwere Erkrankungen, die tief in das Leben der Betroffenen und ihrer Familien eingreifen.
Zwar gibt es glücklicherweise auch viele positive Verläufe, doch ein vergleichsweise hoher Prozentsatz der Erkrankten erleidet Rückfälle oder bleibt dauerhaft beeinträchtigt. Das bedeutet: Das Leben der betroffenen Familien verläuft oft anders als erhofft, Pläne und Wünsche bleiben auf der Strecke, alle Beteiligten müssen schmerzliche Anpassungs- und Lernprozesse durchmachen, bis am Ende – vielleicht – ein neues Gleichgewicht hergestellt werden kann.
Dies ist die Erfahrung, die sehr viele Familien und ihre psychisch erkrankten Mitglieder gemacht haben. Wenn Sie als Angehöriger erst seit kurzem mit einer psychischen Erkrankung konfrontiert sind, werden Sie diese Schilderungen vielleicht deprimierend finden. Möglicherweise sind Sie aber auch erleichtert, weil Sie darin Ihr eigenes Erleben wiederfinden und Ihr Leid nicht beschönigt wird.
In dieser Rubrik versuchen wir, von Angehörigen zu Angehörigen den richtigen Ton zu finden:
- Wir möchten Information und Verständnis vermitteln, ohne Illusionen zu fördern, und
- Hilfemöglichkeiten aufzeigen, ohne Probleme zu verschweigen.
Gerade das Verschweigen geschieht in den Familien recht häufig – manchmal aus Scham, oft aus gutem Willen, etwa um die Erkrankte oder den Erkrankten zu schonen oder mehr Verständnis der Umwelt zu erlangen. Die Kehrseite dieses Verhaltens ist jedoch leider, dass Probleme und Leiden verharmlost und nicht ernst genommen werden – „es ist ja nur psychisch“, sagen viele und meinen damit: Es ist ja nicht so schlimm, und wenn man sich zusammennimmt, geht es schon wieder weg. Die Auswirkungen dieser Einstellung reichen weit und sind sicher auch ein Grund für die unzureichenden Hilfen, über die Familien immer wieder klagen.